Johann Freese

Das Fundament dafür, dass der Hochwasserschutz im Gebiet des Artlenburger Deichverbandes gut funktioniert und die Deiche bei den vier schweren Jahrhundertfluten seit 2002 gehalten werden konnten, ist zu einem beträchtlichen Teil Johann Freese zu verdanken. Der Artlenburger stand von 1981 bis 2009 als Deichhauptmann an der Spitze des Verbandes. In seiner Amtszeit ertüchtigte der Deichverband seine technische Schlagkraft. Zu Recht, wie die folgenden Jahre zeigten. Denn eines wurde dem Ehrenvorsitzenden des ADV in seinem Ehrenamt als Deichschützer schnell klar: Die Elbe wird nie Ruhe geben.

Das Vertrauen ist groß, das Johann Freese in die Technik und Standfestigkeit der Deiche an der Elbe hat. „Selbst beim bisher schwersten Hochwasser im Juni 2013 war ich ruhig“, sagt der 87-Jährige. Anderen half die Ruhe, die der ehemalige Deichhauptmann in den turbulenten Tagen ausstrahlte. „Beim Befüllen der Sandsäcke am Gasthaus Nienau bei uns in Artlenburg fragten mich viele Helfer besorgt, ob denn die Deiche dem mächtigen Druck standhalten würden. Ich konnte die Leute beruhigen, weil ich die Frage aus Überzeugung bejahte“, erzählt er. Johann Freese hatte recht, die Deiche hielten.

Geirrt hat sich der langjährige Verbandsvorsteher und Ehrenvorsitzende, der 18 Jahre lang von 1991 bis 2009 als Deichhauptmann die Geschicke des Verbandes leitete, und schon von 1973 bis 1991 Stellvertreter seines Vorgängers Otto Hübner war, in einem anderen Punkt: „Ich hatte gehofft, dass die Deiche in ihrer Höhe so ausreichen würden, wie wir sie zwischen 1974 und 2006 neu gebaut beziehungsweise verstärkt hatten.“ Das sei jedoch ein Trugschluss gewesen, sagt Johann Freese heute. „Dass das Hochwasser nun immer stärker aufläuft, das hatte ich nicht gedacht.“ Vielmehr habe er sich ruhigere Zeiten für den Artlenburger Deichverband gewünscht, nachdem er den Staffelstab 2009 an seinen Nachfolger Hartmut Burmester übergeben hatte. „Die Deichverteidigung ist mittlerweile eine noch größere Herausforderung, als sie es ohnehin schon ist. Ich bin froh, dass ich das nicht mehr machen muss.“

Das Fundament dafür, dass der Hochwasserschutz im Gebiet des Artlenburger Deichverbandes auf soliden Füßen steht und dieser gut gerüstet war für die vier schweren Jahrhundertfluten seit 2002, ist zu einem beträchtlichen Teil in Freeses Amtszeit als Deichhauptmann entstanden. In den 1980er- und 1990er-Jahren ertüchtigte der Deichverband seine technische Schlagkraft. Vieles war 

nicht mehr auf dem neuesten Stand. „In die Jahre gekommene Geräte, Maschinen und Fahrzeuge wurden ersetzt. Wenn uns alte Maschinen versagen, wenn wir sie benötigen, nutzen sie uns bei der Deichpflege und der Deichverteidigung nichts“, so Johann Freese. Mit dem Kauf neuer Geräte 

wurde die Pflege und Wartung neu strukturiert beziehungsweise verstärkt. „Ich konnte mein Wissen als Landwirt einbringen. Denn wie im Hochwasserschutz müssen in der Landwirtschaft die Maschinen einwandfrei funktionieren.“ Damit einher ging, dass neues Personal für die zusätzlichen Aufgaben eingestellt wurde.

Ein Glücksfall sei der Kauf des Grundstückes in Hohnstorf/Elbe in den 1980er-Jahren gewesen, auf dem seither der Betriebshof des Artlenburger Deichverbandes angesiedelt ist. „Wir hatten die Möglichkeit, den Hof von einem Pferdebesitzer zu erwerben. Der ehemalige Bauernhof hatte 

gleich mehrere Vorteile für den Deichverband. Seine Lage direkt an der Elbe und der Bundesstraße 209 ist ideal, weil sie zentral ist. Außerdem gab es eine Reithalle, die wir nach dem Kauf zur Maschinenhalle umrüsteten“, erzählt Johann Freese. Zuvor seien Geräte, Maschinen und Fahrzeuge provisorisch auf einem Grundstück in Laßrönne untergebracht gewesen. „Dort standen sie auf einem Hof unter freiem Himmel.“

Eine größere Herausforderung als die Modernisierung der technischen Ausstattung sei während seiner Amtszeit der Deichbau gewesen, der schon vorher in den 1970er-Jahren begonnen hatte. „Es war schwierig, weil wir für die neuen größeren und breiteren Deiche Grundstücke benötigten, die wir zukaufen mussten. Da war sehr viel Verhandlungsgeschick gefragt.“ 

Aber es sei gut gelaufen, lobt Freese die Anwohner an der Elbe im Verbandsgebiet. „Wir hatten zum Glück keinen so harten Brocken wie unser benachbarter Harburger Deichverband mit der Schauspielerin Inge Meysel“, berichtet Johann Freese. Zeit ihres Leben hatte sie gegen einen Deich vor ihrer Villa an der Elbe in Bullenhausen im Kreis Harburg gekämpft. Knapp sieben Jahre nach ihrem Tod wurde 2011 dann doch eine zwei Meter hohe Deichmauer gebaut. „Bei uns hatten die Eigentümer am Deich Verständnis.“ Obwohl niemand mit dem Landverkauf reich geworden sei. 

„Im Deichvorland gab es für den Quadratmeter 80 Pfennige. Unser größter Einzelkauf war auch nur ein Quadratmeter groß“, erzählt er schmunzelnd. Teurer wurde es für den Verband hinter dem Deich. „Da lag der Quadratmeterpreis bei zehn bis 20 Mark.“ Finanziell kostspieliger sei es jedoch gewesen, den für den Deichbau nötigen Klei und Sand zu kaufen. „Das war schwieriger, weil die Abbauflächen größer waren. Sie wurden noch landwirtschaftlich genutzt.“ 

Nicht ohne Stolz sagt Johann Freese nach den vielen Jahren ehrenamtlicher Arbeit für den Deichverband, die bereits 1967 als Deichgeschworener begann und sich später als Vorstandsmitglied fortsetzte, dass sich der Einsatz für die Sicherheit der Menschen an der Elbe gelohnt hat. „Unser Hochwasserschutz ist vorbildlich und genießt bundesweit hohes Ansehen.“ 

Ein Grund sei, dass der Artlenburger Deichverband sich nicht verschließe, sondern Informationen und Wissen austausche – zum Beispiel mit der Universität Braunschweig. „Dort wird geforscht, um die Deichsicherheit zu verbessern.“ So benötigten die Forscher Rasen vom Deich für ihre Experimente. „Also stachen wir Soden aus und brachten sie nach Braunschweig.“ 

Die Wissenschaftler hätten dann im Gegenzug die Standfestigkeit der Dämme überprüft. „So läuft das. Die Arbeit im Deichverband erfordert Ernsthaftigkeit und Engagement. Nur so larifari wird das nichts.“ Deshalb sei auch nicht jeder für die Tätigkeit gleichermaßen gut zu gebrauchen, meint Johann Freese: „Wer beispielsweise als Geschworener die Deichwachen bei Hochwasser einteilen muss, benötigt Organisationstalent, damit die Deichverteidigung funktioniert. Man muss schon bei der Sache sein, so nebenbei hat das keinen Sinn.“ 

Für ihn war stets klar, dass das Ehrenamt einen rund um die Uhr fordert. „Das ist harte Arbeit und davon gibt es im Hochwasserschutz genug. Das wird oft unterschätzt.“ Doch die Mühe wird mit Lob und schönen Momenten belohnt. Höhepunkte für ihn als Verbandsvorsteher seien immer gewesen, wenn neue Deiche eingeweiht wurden. „Bei uns hier an der Elbe gab es stets viel Anerkennung für das Engagement. Auch von der Politik, wie zum Beispiel vom ehemaligen Lüneburger Landrat Franz Fietz, der uns immer sehr gelobt hat.“ 

Allerdings, so räumt Johann Freese ein, interessierten sich mit jedem Kilometer weiter weg von der Elbe immer weniger Leute für den Artlenburger Deichverband. „Die Menschen haben keinen Berührungspunkt zum Fluss.“ So geht es auch den meisten Landes- und Bundespolitikern. Für sie ist die Elbe mit ihrer schlummernden Naturgewalt fern. Sie beeindruckt der Katastrophenfall nur kurz, bevor ein Jahrhunderthochwasser im Alltagsgeschäft keine Rolle mehr spielt und wieder vergessen wird. 

Anders sei es beim heutigen Vizekanzler und damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD) bei der Jahrhundertflut 2002 gewesen, erzählt Johann Freese. „Ihm und der damaligen Lüneburger Regierungspräsidentin Ulrike Wolff-Gebhardt habe ich 2002 den enormen Sandsack-Riegel zwischen Artlenburg und Avendorf gezeigt, der das Abrutschen des alten Sanddeiches verhindern sollte.“ Gabriel war so beeindruckt, dass er Geld für einen Deichneubau versprach. „Er hat Wort gehalten. Die Zusage für das Projekt kam postwendend.“ 

Geld gespart hat der Deichverband ebenfalls durch die Einsicht von Politikern. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein hätten Freese zufolge bei der Elbvertiefung 2002 die Kosten für 

die Unterhaltung der Schardeiche flussabwärts hinter der Staustufe Geesthacht übernommen. Wert: 5,5 Millionen Euro. Ein Schardeich ist ein Schutzdamm, der direkt am Fluss liegt, ohne schützendes Vorland. Dadurch bedarf es für den Deichfuß auf der Wasserseite besondere Sicherheit, etwa durch aufgeschichtete Steine wie es im Tidebereich der Elbe der Fall ist.

Johann Freese hat in all den Jahren als Deichschützer gelernt, dass die Elbe nie Ruhe geben wird. „Ich wünsche dem Deichverband, dass er in Zukunft trotzdem nicht mehr gegen so enorme Hochwasser zu kämpfen hat wie zuletzt.“ Auch hofft er, dass die Deiche fest stehen bleiben und nicht überspült werden. Wichtig sei es, dass die gute Zusammenarbeit im Vorstand bleibe wie bisher, denn das sei ein sehr wichtiger Grundstein dafür, dass der Schutz vor dem Hochwasser an der Elbe erfolgreich gelinge. „Dazu gehört auch die enge Kooperation mit dem Geschäftsführer, die mit Norbert Thiemann stets vorbildlich war, und dazu beigetragen hat, dass wir moderne und stabile Deiche haben“, betont der Artlenburger rückblickend.