Hochwasserschutz funktioniert nur länderübergreifend
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Artlenburger Deichverbandes 2014 gab es mit den beiden Verantwortlichen für den Hochwasserschutz in den Kreisen Lüneburg und Harburg, den Landräten Manfred Nahrstedt (Lüneburg) und Rainer Rempe (Harburg), ein Gespräch über Hochwasserschutz und Deichsicherheit. Deichhauptmann Hartmut Burmester und ADV-Geschäftsführer Norbert Thiemann tauschten sich mit den Landräten über die Situation an der Elbe aus. Das Treffen stand in großem Maß unter dem Eindruck der dramatischen Jahrhundertflut ein Jahr zuvor im Juni 2013.
Welche Bedeutung hat der Artlenburger Deichverband für Sie und den Landkreis?
Manfred Nahrstedt: Der Deichverband hat in der Elbe-Region einen hohen Stellenwert, weil er die Menschen, die hinter dem Deich wohnen, immer gut vor Hochwasser geschützt hat. Sie können sich stets auf die Mitarbeiter des Deichverbandes verlassen. Das gilt auch für uns als Landkreis. Als es um die Elbvertiefung in Hamburg ging, wurden wir von Norbert Thiemann darauf aufmerksam gemacht, dass sich diese bis Bleckede auswirkt und der Deichfuß infolge der Wasserstandsveränderung Schaden nehmen könnte. Wir haben uns daraufhin zu Wort gemeldet und mitgeteilt, dass auch bei uns Folgen der Elbvertiefung zu spüren sind, unsere Deiche beeinträchtigt werden. Für dieses Mitdenken und den Hinweis bin ich dankbar. Schließlich sind es wirtschaftliche Schäden für den Landkreis Lüneburg, wenn die Deiche ramponiert werden.
Rainer Rempe: Der Artlenburger Deichverband ist ein wichtiger und verlässlicher Partner, der vor der besonderen Herausforderung steht, dass er sich nicht nur um Hochwasserschutz im Binnenland, sondern auch um Auswirkungen von Sturmfluten an der Nordsee zu kümmern hat. Das ist eine Besonderheit. Daher ist es wichtig, Fachleute an der Seite zu haben, die entsprechende Erfahrungen und entsprechendes Urteilsvermögen mitbringen. Darauf können wir uns als Behörde verlassen. Aber auch die Menschen können darauf vertrauen, dass sie vor den drohenden Gefahren gut geschützt werden. Der Deichverband hat in der Vergangenheit schon bewiesen, dass er das kann.
Sind Deichverbände überhaupt noch zeitgemäß?
Manfred Nahrstedt: Ich glaube, dass unsere Altvorderen mit der Gründung des Artlenburger Deichverbandes eine weise Entscheidung getroffen haben und die Kriterien von damals noch heute gelten. Die Funktionen von Deichhauptmann und Deichgeschworenen schaffen für uns die Nähe zu den Deichen und Hochwassergefahren. Wir als Landkreis sitzen in der Hansestadt Lüneburg weit weg vom Deich.
Rainer Rempe: Deichverbände, die es in dieser Form bei uns in der Region seit 1862 gibt und die 1889 modifiziert wurden, haben sich bewährt. Es zeigt sich, dass das, was man sich im 19. Jahrhundert überlegt hat, nach wie vor aktuell ist und akzeptiert wird. Die Verankerung in der Region und das Wissen aus Jahrhunderten wird von den Menschen an der Elbe honoriert. Unsere Fachleute sind immer in ganz engem Austausch mit dem Artlenburger Deichverband. Das ist eine toll eingespielte Zusammenarbeit.
Schenken Sie der Elbe mehr Beachtung als noch vor einigen Jahren – besonders nach den Jahrhundertfluten 2002, 2006, 2011 und 2013? Sind starke Regenfälle am Oberlauf, Wasserstände und der Zustand des Flusses und der Deiche stärker in den eigenen Fokus getreten?
Rainer Rempe: Es ist beunruhigend, dass wir uns in immer kürzeren Abständen auf solche Hochwasserereignisse einstellen müssen. Das gibt zu denken. Ich fahre zwar nicht alle zwei Wochen an die Elbe, um nach dem Wasserstand zu sehen. Aber der Fluss ist ein Dauer-Thema. Ich beobachte und höre genau hin bei den Deichschauen, was zu tun ist. Schließlich bin ich als Landrat verantwortlich im Katastrophenfall. Insofern muss ich die Entwicklung an der Elbe genau beobachten.
Manfred Nahrstedt: Nach dem jüngsten Rekord-Hochwasser im Juni 2013 schaue ich beim täglichen Wetterbericht genauer hin, wenn sich ein Tiefdruckgebiet im Einzugsgebiet der Elbe gebildet hat und frage mich: Was bedeutet das für unsere Region? Ich beobachte jetzt mit einem anderen Blick als früher, wo die Niederschläge massiv niedergehen
Das sagt der Deichverband: Aus Sicht des Deichverbandes ist das Bewusstsein sehr intensiv geworden. Früher hat man gelassener auf Veränderungen an den Pegelständen am Oberlauf reagiert. Wir wussten, dass wir sieben Tage Zeit haben, um uns rechtzeitig auf ein Hochwasser vorbereiten zu können. Aber jetzt wird der Blick auf die Pegelstände häufiger. Innerhalb von 24 Stunden mit Starkniederschlägen im oberen Einzugsbereich der Elbe haben wir eine sprunghafte Veränderung an unseren Pegeln von einem Meter. So war die Situation auch 2013. Die Wetterlage schlägt um und nicht einmal 14 Tage später haben wir ein massives Jahrhunderthochwasser vor der eigenen Haustür.
Heutzutage ist es durch das Internet möglich, innerhalb von Minuten sofort sämtliche Pegel entlang der Elbe bis über die Grenze nach Tschechien abzurufen, was früher zwei Tage gedauert hat. Dennoch schwankten 2013 die Prognosen über die Ausmaße zuletzt fast täglich.
Rainer Rempe: Das ist richtig. Wir haben zwar schnellere Informationen, doch es bleibt eine relativ große Prognoseunsicherheit. Daran hat sich leider nichts geändert. Daher ist es wichtig, auf Sachverstand und Erfahrungen zurückgreifen zu können, um richtig zu reagieren.
Manfred Nahrstedt: Geändert hat sich auch, dass die Deiche in Mitteldeutschland einen Stand erreicht haben, den sie zu Zeiten der DDR nicht hatten. Ich erinnere mich noch an früher, da ging der Blick in den Osten und es hieß, solange die da drüben 20 Zentimeter niedrigere Deiche haben, ist bei uns alles gut. Ältere Leute berichten, dass es früher auch größere Überflutungsflächen an der Elbe gab, und wir bei uns deshalb nicht so hohe Hochwasser hatten.
Das sagt der Deichverband: Wir wissen jetzt, dass alles Wasser bei uns ankommt. Noch 2002 ist sehr viel auf dem Weg zu uns aus dem Fluss abgeflossen. Das war unser Glück. Genauso wie vergangenes Jahr der Deichbruch in Fischbeck. So schrecklich das für die Menschen dort ist. Wäre die Wassermenge, die in Fischbeck aus der Elbe herausgeflossen ist, noch bei uns auf die Wassermasse obendrauf gekommen, dann hätte die Elbe hier bis an die Deichkronen gestanden.
Nach dem Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 sind die Deiche im Verbandsgebiet beschädigt und nicht mehr sicher. Obwohl versprochen wurde, Geld werde unbürokratisch fließen, dauerte es mehr als ein Jahr, bis entsprechende Mittel in Höhe von 5,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden. Warum hat sich das so verzögert?
Manfred Nahrstedt: Erst einmal bin ich sehr froh, dass das Geld aus dem Fonds „Aufbauhilfe“ jetzt im August geflossen ist. Vorher hat mir die Situation keine Ruhe gelassen. Ich habe in der niedersächsischen Staatskanzlei und im Umweltministerium auch nachgefragt und gesagt, dass die Deiche so nicht winterfest sind.
Rainer Rempe: Für den Landkreis Lüneburg hatte das Warten noch eine andere Dramatik als für den Landkreis Harburg, weil die Schäden an den Deichen im Lüneburger Kreisgebiet deutlich größer sind. Wenn es um Geld geht, wird es aber anscheinend immer kompliziert. Dabei sollten wir alle annehmen, dass der Schutz der Menschen über allem steht.
Glauben Sie, dass der Artlenburger Deichverband Schwarzmalerei betreibt, indem er immer von dem schlimmsten zu erwartenden Hochwasser und seinen Folgen ausgeht und ständig darauf hinweist, dass die Deiche nicht sicher sind und eine Verteidigung dieser wie im Juni 2013 zurzeit nicht möglich ist?
Rainer Rempe: Nein, das ist seine Aufgabe, die Gefahren frühzeitig beim Namen zu nennen, die aus ihrer fachlichen Sicht bestehen. Das müssen wir ernst nehmen. Insofern ist das keine Schwarzmalerei, sondern die Erfahrung aus den Ereignissen in der Vergangenheit und die Erkenntnis, dass uns starke Hochwasser in ständig kürzerer Abfolge und heftigerer Form erreichen.
Manfred Nahrstedt: Dem stimme ich zu. Und bei der jüngsten Deichschau wurde auch klar, dass die meisten Schäden noch nicht behoben sind. Der Deichverband schildert somit die Realität.
Wie muss denn der zukünftige Hochwasserschutz aussehen?
Manfred Nahrstedt: Die Wetterexperten sind sich einig, dass es noch schlimmer kommen wird. Und irgendwann reicht dann der Deichschutz nicht mehr aus, wenn wir nicht endlich anfangen, das Wasser am Oberlauf stärker zurückzuhalten. Geschieht das nicht, können wir hier bei uns bauen, was wir wollen – und das Wasser geht trotzdem irgendwann über die Deiche. Der Hochwasserschutz an der Elbe ist ein gesamteuropäisches Problem. Denn das Einzugsgebiet der Elbe liegt in mehreren Ländern. Und auch in Thüringen muss man erkennen, dass das Hochwasser aus Mulde und Saale nicht einfach schnell in die Elbe abgeleitet werden kann. Vielmehr muss es dort zurückgehalten werden. Ich sehe den Bund in der Pflicht, weil der Hochwasserschutz an der Elbe eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Aber auch die Länder müssen bereit sein zur Zusammenarbeit. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass eine Talsperre in Thüringen auch mit Geld aus Niedersachsen gebaut wird.
Rainer Rempe: Ich kann da meinem Kollegen nur zustimmen. Hochwasser macht nicht an den deutschen Grenzen halt, deshalb muss der Hochwasserschutz international betrachtet werden.
Wie dick ist das Brett, das gebohrt werden muss für einen nationalen Hochwasserplan?
Manfred Nahrstedt: Wenn ich mir alleine schon die Vielzahl der Bundesländer ansehe, die am Hochwasserschutz an der Elbe beteiligt sind, wird klar, dass das Brett immer dicker wird, weil die Betroffenheit von Land zu Land unterschiedlich ist. Ein Beispiel: Wenn ein Bundesland Deiche verlegt, müssen ihm die Folgen für ein anderes Land klar sein. Denn dort nimmt der Druck auf die Deiche möglicherweise zu. Daher ist der Hochwasserschutz eine gesamtstaatliche Aufgabe.
Rainer Rempe: Und genau deshalb muss der Hochwasserschutz an der Elbe mindestens eine Bundes-, wenn nicht sogar eine internationale Aufgabe werden. Es ist ein internationales Management gefordert, das sich dieser Frage unabhängig von Ländergrenzen annimmt. Und das Ausscheren einzelner, das niemand wirklich will, bedeutet doch eigentlich nichts anderes, als dass man nicht mehr solange warten will, bis sich acht Bundesländer und vier Staaten geeinigt haben. Das ist aber auf lange Sicht nicht die Lösung des Problems.
Das sagt der Deichverband: Brandenburg ist bereits aus dem Länderverbund ausgeschert, indem es die eigenen Deiche um 70 Zentimeter erhöht hat. Durch eine koordinierte Steuerung der Talsperren in Tschechien und Thüringen wird bei uns der Wasserstand um 75 Zentimeter gekappt. Sollten die Talsperren allerdings nichts mehr aufnehmen können, machen wir hier unten an der Elbe nur noch große Augen vor blankem Entsetzen.
Was heißt das für das hiesige Gebiet am unteren Flusslauf?
Manfred Nahrstedt: Das heißt für uns, dass wir die Solidarität der Oberlieger einfordern müssen. Aber das Land Niedersachsen muss auch finanzielle Beteiligung signalisieren. Sonst läuft da gar nichts. Der Landkreis Lüneburg ist bereits der kommunalen Hochwasserpartnerschaft Elbe beigetreten.
Das sagt der Deichverband: Diese Partnerschaft fordert länderübergreifend deutlich kürzere Abstände bei den Hochwasservorhersagen als den bisherigen 24-Stunden-Rhythmus, die Neufestsetzung des Bemessungshochwassers, in das auch Klimafolgewirkungen eingerechnet werden. Die Länder werden aufgefordert, einheitliche und verbindliche Werte vorzugeben. Der ADV hat beschlossen, auch beizutreten. Denn das Wichtigste ist, dass man Informationen austauscht und anderen zuhört, welche Probleme sie haben, um dann auch Entscheidungen mittragen zu können, die gar nicht unsere Region betreffen, sondern den weiter oben liegenden Bereich.
Wie lange wird es dauern, bis ein nationaler Hochwasserplan stehen kann?
Manfred Nahrstedt: In kleinen Schritten geht es ja schon voran. So soll das Wehr in Wehningen in Amt Neuhaus ertüchtigt werden, nachdem sich unser Ministerpräsident mit den zuständigen Ministern in Mecklenburg-Vorpommern darüber abgestimmt hatte. Das sehe ich als positiv an. Und im Winter werden wir eine gemeinsame Hochwasserschutz-Übung mit der Bundeswehr und dem Land Mecklenburg-Vorpommern machen. Auch das sehe ich als kleinen Erfolg und Fortschritt an.
Rainer Rempe: Wie lange das dauern wird, kann sicherlich keiner genau sagen. Fakt ist aber, dass wir alle gemeinsam nach schnellen und effizienten Lösungen und Abläufen streben sollten.
Das sagt der Deichverband: Wenn jeder auf seinem Gebiet um jeden Zentimeter kämpft für künftig niedrigere Wasserstände, dann sind wir ein großes Stück weiter. Wir als Deichverband haben ein super Verhältnis und einen Kooperationsvertrag mit den am Unterlauf liegenden Deichverbänden und eine Interessengemeinschaft mit denen am Oberlauf. Ein Anruf bei den unterliegenden Verbänden reichte 2013 aus und uns wurde Deichverteidigungsmaterial zur Verfügung gestellt. Das waren 250 000 Sandsäcke und Schaufeln. Das funktionierte. Von den Verbänden am Oberlauf war nichts zu bekommen, weil die in der gleichen kritischen Lage waren wie wir.
Nochmals der Blick zurück zur vergangenen Jahrhundertflut und der Auslösung des Katastrophenfalls. Der Landkreis Lüneburg hat ihn ausgerufen, der Landkreis Harburg nicht. Wieso?
Rainer Rempe: Wir waren die ganze Zeit über in Bereitschaft, haben jeden Tag mehrmals überlegt, ob wir Lüneburg folgen. Wir haben aber am Ende entschieden, dass das Auslösen des Katastrophenfalls bei uns nicht nötig war, weil wir hinter der Staustufe Geesthacht eine ganz andere und ungefährlichere Lage hatten als im Landkreis Lüneburg. In der nachfolgenden Analyse und in den Gesprächen mit den Verantwortlichen des Deichverbandes sehen wir das jetzt etwas anders, werden uns bei möglichen zukünftigen Entscheidungen noch besser absprechen, damit nicht wieder überflüssige bürokratische Hürden geschaffen werden.
Das sagt der Deichverband: Für die Arbeit vor Ort war die Entscheidung sehr hinderlich, weil wir keinen Katastrophenalarm im Bereich der Samtgemeinde Elbmarsch hatten. Es waren uns die Hände gebunden beim Abfordern von Material und dem Einsatz von Personal. Wir waren eingeschränkt bei der Organisation der Logistik und bei der späteren Abrechnung, weil der Katastrophenfall nicht festgestellt wurde. Das stößt bei dem arbeitenden Teil der Katastrophe auf Unverständnis und muss beim nächsten Mal anders geregelt werden. Außerdem hätten wir uns die engere Verquickung der beiden Krisenstäbe in den Landkreisen Lüneburg und Harburg gewünscht während des Katastrophenfalls. Wir sind von einer Einsatzlagebesprechung zur anderen gefahren.
Manfred Nahrstedt: Und wir werden unseren Stab straffen und mit weniger Leuten arbeiten, um effizienter und schneller Entscheidungen treffen zu können. Denn ich habe gelernt, im Katastrophenfall ist es nicht möglich, möglichst viele in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das hält unnötig auf und wird es deshalb bei uns nicht mehr geben.
Rainer Rempe: Ein gemeinsamer Stab wäre eine Herausforderung für die Zukunft.
Glauben Sie, dass die Solidarität der freiwilligen Helfer bei der Deichverteidigung eines Tages überstrapaziert sein könnte?
Manfred Nahrstedt: Ich glaube, die Menschen, die hinterm Deich wohnen, wissen, dass sie gemeinsam ihr Eigentum schützen. Das erzeugt eine Solidarität und es ist gut, dass diese bei uns im Landkreis bis weit ins Binnenland hinein reicht. Wir unterschätzen, dass es in unserer Gesellschaft ein Zurück zu sozialen Gemeinsamkeiten gibt. Die Leute wollen sich einbringen und das ist bei der Deichverteidigung an der Elbe auch der Fall. Darauf können wir ein Stück weit bauen. Und ich glaube, wir würden die Aufgabe ohne die Helfer gar nicht mehr bewältigen können.
Rainer Rempe: Zunächst ist es positiv, dass diese enorme Einsatz- und Hilfsbereitschaft, die Solidarität in solchen Krisenfällen funktioniert. Gefährlich wird es aber dann, wenn der Eindruck bei den Helfern entsteht, sie geben alles, aber ansonsten tut sich beim Hochwasserschutz nichts. Deshalb müssen wir mit Nachdruck bei den zuständigen Stellen fordern, dass sich die Situation an den Deichen verbessert.
Das sagt der Deichverband: Wir finden gut, dass sich Bundeswehrangehörige aus Faßberg vor kurzem in Radegast bei extrem niedrigem Wasserstand die Situation an der Elbe angeschaut haben. Sie wollten nicht nur Kontakt nach Radegast halten, sondern auch Informationen austauschen, die Elbe besser kennen lernen, nachbereiten, um sich auf einen möglichen nächsten Einsatz dort schon jetzt vorzubereiten.
Was halten Sie davon, die für den Hochwasserschutz und die Deichverteidigung zuständigen Mitarbeiter in der Kreisverwaltung auf spezielle Lehrgänge zu schicken, um sie besser auf die Aufgaben vorzubereiten? Es geht um Krisenmanagement für die Landkreise, bei denen gelehrt wird, Entscheidungen im Krisenstab zu treffen. Ausrichter sind die Landesfeuerwehrschule und die Bundeswehrführungsakademie aus München.
Manfred Nahrstedt: Wir machen Fortbildungen bei der Feuerwehrschule in Ahrweiler. Im Herbst nehme ich an einer teil, die speziell für Landräte und Oberbürgermeister konzipiert ist. Bei dieser geht es um Entscheidungsfindung. Wir sind auch auf den Heidekreis zugegangen bei dem Thema. Wenn ein Katastrophenfall länger dauert, dann müssen die Krisenstäbe ausgetauscht werden. Und dabei könnte uns der Heidekreis als direkter Nachbar mit Personal unterstützen. Das sind Überlegungen, die nach dem jüngsten Hochwasser angestellt wurden.
Rainer Rempe: Wir haben auch schon diverse Mitarbeiter in Ahrweiler geschult. Sie haben in der Ausbildung nicht gelernt, mit einer Katastrophe umzugehen. Das sind völlig neue Anforderungen, die an sie gestellt werden. Daher sind Fortbildungen unglaublich wichtig, um auf Katastrophenfälle vorbereitet zu sein. Mehr Schulungen sind auch eine Reaktion darauf, dass uns schwere Hochwasser öfter ereilen können als noch vor 30 Jahren. Verändert hat sich auch die Öffentlichkeitsarbeit, weil Informationen viel schneller in alle möglichen Kanäle hinausgehen. Deshalb ist vor und während eines Katastrophenfalls Presse und Öffentlichkeitsarbeit wichtiger geworden. Auch dafür schulen wir unsere Leute. Ein Katastrophenalarm unterscheidet sich ungemein vom normalen Tagesgeschäft unserer Pressestellen.
Werden Sie als Landrat die Absicht des ADV unterstützen, ein Deichverband für den Küstenschutz zu werden? Schließlich drücken Sturmfluten der Nordsee bis weit in das ADV-Gebiet hinein wie jüngst im vorigen Winter die Nikolaussturmflut bis nach Bleckede.
Manfred Nahrstedt: Ich unterstütze den Plan uneingeschränkt. Wenn höhere Sturmfluten kommen, dann spüren auch wir sie bei uns an der Elbe. Und für diesen Fall muss der Landkreis Lüneburg gewappnet sein.
Rainer Rempe: Ein reiner Küstenverband ist die logische Konsequenz der klimatischen Veränderungen. Es müssen nur ungünstige meteorologische Faktoren zusammenkommen und schon sind wir in einer gefährlichen Situation. Bisher haben wir bei uns in der Elbe-Region Glück gehabt.
Sind die Menschen hinter den Deichen zurzeit sicher?
Manfred Nahrstedt: Ja, weil wir einen sehr guten Deichverband haben.
Rainer Rempe: Ja, aber wir müssen viel tun, damit sie auch in Zukunft sicher sind.
Das Foto zeigt die Landräte Manfred Nahrstedt (links) und Rainer Rempe.